Rezension: Ms. Marvel: #1 Meta-Morphose

Passend zur San Diego Comic Con, die an diesem Wochenende stattfindet, möchte ich euch heute eine Comic-Reihe vorstellen, die mich mit all ihrer grandiosen Wucht umgehauen hat. Ms. Marvel handelt nicht nur vom Anderssein, sondern ist auch noch eine verflucht witzige Geschichte darüber, wie man als muslimische Superheldin in ziemlich große Fußstapfen tritt. Als sich Kamala in ihre Lieblingsheldin verwandeln kann, staunt sie nicht schlecht – aber was stellt sie mit dieser Fähigkeit an? Und warum tragen Superhelden grundsätzlich nie irgendetwas Bequemes? In Ms. Marvels erstem Abenteuer Meta-Morphose, erschienen bei Panini, erlebt ihr eine erfrischend neue Heldin wider Willen!





Sich aus heiterem Himmel in seinen Lieblingssuperhelden zu verwandeln ist nicht gerade einfach – und erst recht nicht für die sechszehnjährige Kamala aus New Jersey! Ihre Freizeit verbringt sie mit allerlei nerdigen Aktivitäten, unter anderem, Fanfictions über die Avengers zu schreiben. Ihre Eltern, pakistanische Einwanderer, sehen das nicht so gerne und ihnen fällt es schwer, mit den Geheimnissen umzugehen, die Kamala so plötzlich vor ihnen hat. Dabei muss sich Kamala mit wohl größeren Problemen befassen, als nicht erledigten Schulaufgaben oder Stress mit den Eltern! Sie muss als neue Superheldin Ms. Marvel Verbrechen bekämpfen! Das ist nicht ganz leicht, wenn sie zwischen zwei Leben jongliert und ihre Identität um jeden Preis geheim halten will. Kamala fühlt sich aufgrund ihrer Herkunft und ihres Lebens sowieso schon immer anders. Dass sie jetzt ausgerechnet in Captain Marvels Fußstapfen treten soll, muss sie erst einmal lernen.



Ich weiß gar nicht, wo ich mit den Lobeshymnen anfangen und wo ich damit aufhören soll, wenn ich an Ms. Marvel denke. Dabei sind die Grundbausteine von Ms. Marvel so simpel wie geläufig: ein von der Welt unverstandener Teenager erlangt übernatürliche Fähigkeiten und lernt auf diesem Weg, sich zu beweisen. Die Geschichte hat man vermutlich schon tausendmal gehört und auch im Marvel-Universum ist sie nichts Neues. Trotzdem schafft es die Comic-Reihe mit einer Andersartigkeit und mit frischem Witz zu bestechen, die den neuen Superhelden von heute zugutekommen.
Kamala hält ihr Leben für nicht gerade aufregend, doch trotzdem hat sie das Gefühl, einfach anders zu sein. Ihre Eltern lassen sie nicht auf Partys gehen, auf der Jungs sind und Alkohol ausgeschenkt wird, was Kamala vor den Kopf stößt. Sie kann ja noch nachvollziehen, dass ihre Mutter keine großen Freudensprünge macht, als ihre Avengers Fanfiction (in der übrigens Iron Man, Captain America und Captain Marvel die Einhornwelt verteidigen) über tausend Likes bekommt, doch dass ihre Eltern sie und ihr Nerdtum gar nicht verstehen wollen, ärgert sie schlichtweg. Die Protagonistin schwankt nicht nur zwischen den muslimischen Traditionen ihrer Eltern und ihren eigenen amerikanischen Werten, sondern auch zwischen dem Leben als Superheldin und dem eines gewöhnlichen Teenagers. Kamala steht für die typischen Nerd-Jugendlichen: sie ist verschlossen und eher zurückhaltend, ein kluger Kopf, der lieber Comics liest, anstatt auf die Pauke zu hauen. Die Identifikation mit ihr gelingt schnell, denn wer träumt wie Kamala nicht davon, einmal ein Superheld zu sein? An der Stelle ignorieren wir die spärlichen negativen Seiten des Helden-Daseins, die in der Situation auf uns zukommen mögen.

Schon auf den ersten Seiten beginnen ganz direkt die Konflikte, mit denen die Figuren sich im multikulturellen Jersey tagtäglich herumschlagen müssen. So fragt eine Schulkameradin Kamalas türkische Freundin, ob sie gezwungen wird, ihr Kopftuch zu tragen, woraufhin Nakia spitz antwortet, dass sie es freiwillig trägt und ihr Vater sogar will, dass sie es abnimmt. Ein anderes Mal muss Kamala auf einer Party feststellen, dass ihre Schulfreunde sogar mit einem Lachen ihre muslimischen Werte übergehen. Kein Wunder, dass sie sich anders fühlt, wenn ihr Umfeld ihr dieses Gefühl vermittelt.
Dass sie sich durch einen geheimnisvollen Nebel in Captain Marvel verwandelt, hilft ihr, die Dinge etwas klarer zu sehen: Es ist gar nicht so toll, wenn man nicht man selbst sein kann. Die blonde Mähne passt nicht zu ihr, der enge Suit kneift am Hintern und die Stiefel sind eigentlich viel zu unbequem. Prompt macht sich Kamala auf die Suche nach einem Kostüm, das mehr nach ihrem Geschmack ist. „Ammi! Wo ist mein Burkini?“ Captain Marvel hat in Kamala eine ehrenwerte Nachfolgerin gefunden.

Herausragend sind auch der Witz und der Charme, den diese Marvel-Reihe mit sich bringen. Die verdrehte Fantasie-Welt von Kamala lässt uns schmunzeln, wenn Iron Man ein geflügeltes Faultier in den Händen trägt oder die Heldin das erste Mal mit ihren neuen Kräften konfrontiert wird. Immer wieder gerät sie dadurch ins Straucheln und wird sich dessen bewusst, dass man als Held auch kleine Wunder bewerkstelligen kann.

Der Zeichenstil und die Bilder von Adrian Alphona sind detailverliebt und lassen Staunen. In kleineren Panels wird die Strichführung nicht immer so ernst genommen, dafür kommt besonders viel Spielraum in die Bilder, wenn es um die Darstellung der Haarpracht der Figuren geht. Man kann förmlich spüren, wie der Wind durch Ms. Marvels Haare fegt. Ian Herring, zuständig für die Farbgebung, komplettiert den Comic und gibt ihm durch das Wechselspiel von intensiven Tönen in Kamalas Fantasien und den eher tristen Nuancen in ihrem Alltag den idealen Schliff.


Ms. Marvel hat mich nicht nur überzeugt, der Comic hat mich überwältigt! Ich liebe es, wie dieser erste Band es geschafft hat, witzig zu sein und gleichzeitig Botschaften vermittelt, die es in sich haben. Kamala hat sich sofort in mein Herz geschlichen und bewiesen, wie man es schafft, sein Leben trotz Teenager-Drama und Superheldinnen-Aktionen halbwegs in den Griff zu kriegen. Als typisches Nerd-Girl schafft sie es unmittelbar, einen Zugang zum Leser zu finden und überzeugt mit ihrer vor Spannung strotzenden Geschichte. Ich gebe Ms. Marvel fünf von fünf Lesebrillen und kann es nicht abwarten, den zweiten Band in die Hände zu nehmen! Ms. Marvel hat sich mit diesem Debüt-Heft ganz unscheinbar sehr weit nach oben auf die Liste meiner Lieblingssuperhelden geschlichen.






Titel: Ms. Marvel
Autorin: G. Willow Wilson
Zeichner:  Adrian Aplhona
Verlag: Panini 
Preis: 16,99€
Sonstiges: 124 Seiten, Softcover


Die genannten Details sind der Website von Panini entnommen.

Vielen Dank an Panini und vor allem an Jürgen! Danke auch an Stefan Dinter!




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